Trauer ist etwas sehr Persönliches. Bestattungsrituale und Bedürfnisse rund um die Beisetzung eines geliebten Menschen sind je nach Jahrhundert und Ort der trauernden Person unterschiedlich. Auch wie Menschen sich in den heutigen Zeiten an geliebte Menschen erinnern möchten, variiert. Die einen bevorzugen einen festen Ort wie ein klassisches Grab, die anderen möchten lieber ein mobileres Erinnerungsstück.
Schmuck wurde und wird historisch gern als Erinnerungsmedium genutzt: das Medaillon mit der Locke des Geliebten oder das kunstvoll gewebte Collier aus Haaren der Lieblingsschwester. Beispiele gibt es viele. Der Freundschafts- und Erinnerungsschmuck aus Haar war im 18. Jahrhundert besonders beliebt und fand mit der Biedermeierzeit seinen Höhepunkt. Erinnerungsstücke, die man nah am Herzen tragen kann und immer bei sich hat, überzeugen nach wie vor viele Menschen.
In moderneren Zeiten wurde die aufwendige Technik des Haarschmucks beinah vergessen beziehungsweise nicht mehr praktiziert. Seit 2005 aber gibt es die Möglichkeit, ein anderes Erinnerungsstück aus Haaren oder gar aus Asche eines verstorbenen Menschen produzieren zu lassen: einen Erinnerungsdiamanten.
Mit Hilfe des HPHT-Verfahrens (High Pressure High Temperature) wird aus dem in der Asche oder in den Haaren enthaltenen Kohlenstoff unter großer Hitze und Druck ein Diamant künstlich hergestellt. So das Versprechen von Herstellerfirmen.
Die Größe des synthetischen Diamanten ist frei wählbar und variiert je nach Hersteller. Zwischen 0,10 ct bis zu 3 ct kann gewählt werden. Manche Herstellerfirmen bieten zudem verschiedene Farben an. Auch der Schliff kann individuell gewählt werden: Zieht man einen ungeschliffenen „Rohdiamant“ vor oder doch lieber einen Brillant- oder Herzschliff?
Je größer der Diamant, umso länger die Wartezeit. Auf 1 Carat (ct) wartet man circa acht Monate.
Preislich bewegt man sich im Bereich von etwa 1500 Euro für 0,10 ct bis 46.000 Euro für bis zu 3 ct. Je nach Hersteller kann der Preis deutlich variieren. Ein Schnäppchen ist der Erinnerungsdiamant nicht: Für einen synthetischen Erinnerungsdiamanten muss man circa doppelt soviel zahlen wie für einen natürlichen (farblosen) Diamant in vergleichbarer Größe und Qualität. Vergleicht man den Preis des Erinnerungsdiamanten mit dem eines kommerziellen synthetischen Diamanten, zahlt man oft den 10-fachen Preis.
Kritiker:innen halten die Vermarktung von Erinnerungsdiamanten für problematisch. Einerseits stößt es einige vor den Kopf, dass hier die Überreste von Verstorbenen geteilt werden. In Deutschland und Österreich sind sie für viele undenkbar und sogar teils rechtlich problematisch, denn theoretisch herrscht Beerdigungspflicht - die Asche wird als Einheit gesehen. Viele Jahre lang waren die Produzent:innen von Erinnerungsdiamanten deswegen im Ausland zu finden, meist in der Schweiz. Inzwischen gibt es aber auch Herstellerfirmen in den Niederlanden und in Deutschland.
Zudem gibt es Stimmen aus der gemmologischen Fachwelt, die den Herstellungsprozess und den „Claim“ der Hersteller, der Diamant würde ausschließlich aus der übergebenen Asche hergestellt, kritisch sehen. Expert:innen, wie der Direktor des Schweizerischen Gemmologischen Instituts SSEF Michael Krzemnicki, bezweifeln zum Beispiel, dass genug verwendbarer Kohlenstoff in der kremierten Asche vorhanden ist, da bei einem klassischen krematorischen Prozess der menschliche Kohlenstoff durch die hohen Temperaturen hauptsächlich in Co2 verwandelt werde. Trauernde, die sich in einem besonders verwundbaren Zustand befinden, würden so hinter das Licht geführt und unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um viel Geld gebracht.
Eine der zahlreichen Herstellerfirmen, das Schweizer Unternehmen Algordanza, kontert. Das Unternehmen besitzt notariell beglaubigte Unterlagen, die den ausreichenden Gehalt von Kohlenstoff in der Asche bestätigen. Zudem wird bestätigt, dass „… die Extraktion des Kohlenstoffes aus dieser Asche und die Synthese des […] Diamanten mittels HPHT Synthese unter ausschließlicher Zuführung des Kohlenstoffes aus der uns übergebenen Kremationsasche“ besteht. Kritische Stimmen wiederum merken hier an, dass der Kohlenstoff auch sehr gut aus dem Sarg und nicht aus der Asche des verstorbenen Menschen stammen könnte.
Sei zu wenig Kohlenstoff im übersendeten Material vorhanden, würde man die Kundinnen und Kunden kontaktieren und etwa um Nachsendung von Haaren oder anderen kohlestoffhaltigen Erinnerungsstücken bitten, so der Geschäftsführer von Algordanza, Frank Ripka. Eine Unterscheidung, ob der verwendete Kohlenstoff aus dem Sarg oder aus der Asche des verstorbenen Körpers stamme, sei nicht möglich.
Die Kund:innen von Algordanza müssen auf die Richtigkeit der notariell beglaubigten Untersuchung vertrauen. Unabhängige Studien über den ausreichenden Gehalt von Kohlenstoff in der Asche zur Produktion von synthetischen Diamanten wurden noch nicht durchgeführt.
Herstellerfirmen gibt es inzwischen viele. Wie seriös das Angebot ist, wo, wie und womit produziert wird, ist für die Kundschaft oft schwer nachzuvollziehen beziehungsweise nachzuprüfen. Den Kund:innen bleibt oft nichts andere übrig, als dem Prozess und die Angaben der Herstellenden zu vertrauen.
Möchte man den geliebten Menschen immer bei sich tragen, als funkelndes Erinnerungsstück, kann die Diamantbestattung eine Option sein. Bewusst sollte man sich allerdings machen, dass es sich bei der Produktion eines Erinnerungsdiamanten um ein sehr individuelles Erinnerungsstück handelt, das einen persönlichen (unbezahlbaren) Wert hat. Als Wertanlage, Wiederverkaufs- oder Spekulationsobjekt ist der Erinnerungsdiamant wegen seiner persönlichen Geschichte und des hohen Preises nicht geeignet.
Unsere Schätzmeister:innen antworten dir gerne persönlich: Für dein Anliegen kannst du hier
Interessiert an Wissenswertem rund ums Thema Schmuck? Abonniere den Newsletter von pfand - Das Magazin:
Kommentiere als Erste(r) diesen Artikel!